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der rahmen, den die bratpfanne steckt

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AUGUST 18/1 der rahmen, den die bratpfanne steckt

Was hatte es eigentlich mit dem Phänomen "Münster-Tatort" auf sich, warum war ( und ist ?) der so beliebt, warum können sich scheinbar so viele darauf einigen? Als diese Reihe begann, vor ca. 15 Jahren, hatte ich mal mit C. darüber geredet, was daran so erheiternd ist, bzw. war, aus heutiger Sicht: Alle Darsteller, alle Rollen, wurden in ihrer leicht überzeichneten Kauzigkeit aus den Augen des immer ein wenig genervt und von Kapriolen und Kapriziosität angewiderten Hauptkommissars Thiel wahrgenommen.Thiel war praktisch der "Leit-Sensus", die Figur, aus dessen Sicht man all das sich Ereignende dann auch über sich ergehen lassen musste - und eben auch konnte. Und weil der so reduziert erschien, so wenig aufgesetzt und als Mensch, als Person und als Persönlichkeit überhaupt nichts einforderte, an Beachtung, Anerkennung und Besonderheit, bot er dementsprechend viel Raum als Projektionsfläche, in dem sich alle anderen spiegeln, exaltieren und sonnen konnten. Dass er dann auch noch, hinter seiner schroffen und genervten Art, eine den Menschen zugewandte Seite irgendwie durchscheinen ließ, half dem Zuschauer dabei, eine Form von gesteigerter Gelassenheit, von Phlegma, zu entwickeln, immer hinsichtlich der zwar in ihrer Überzeichnung anstrengenden, aber dennoch gutgeheissenen oder tolerierten Verhaltens-und Seinsauffälligkeiten der Anderen, vor allem natürlich hinsichtlich des Professors Boerne. Die kettenrauchende Staatsanwältin, der kiffende Vater, der eitle Pathologen-Fatzke, dessen kleinwüchsige Assistentin usw. - alles völlig klischierte und übertriebene Abziehbilder, dennoch aber, zumindest in den ersten Folgen, auf eine beinahe familiäre Art annehmbare, in ihrer Harmlosigkeit erheiternde und goutierte Charaktere. Warum solch ein Phänomen dann natürlich wieder breit-bis plattgelatscht, zu Tode zitiert und bis auf den letzten Tropfen Humor ausgepresst wird, ist eine andere Frage.

Entscheidend in diesem Falle auch der Sachverhalt, dass der so "normale" Thiel dann irgendwann auch witzig, besonders und unphlegmatisch werden musste, sich also einreihen durfte in die hochgehaltene Aufzählung von Verhaltensauffälligen, das funktioniert dann nicht mehr, das überfordert dann nur noch und die zu Beginn noch unterhaltende, mühelose Oberflächlichkeit verkommt zu einer untenhaltenden, angestrengten Plattheit, die den gleichen Witz immer wieder erzählt und sich am Ende nur noch selbst zitiert. Wie es innerhalb des deutschen Fernsehens ja ohnehin der Regelfall ist, irgendwann die Bratpfanne rauszuholen, um dem ja völlig verblödeten und zu keinem eigenen Denken und Wahrnehmen fähigen Konsumenten damit jede Aussage, jeden eventuell mal auftauchenden Hintersinn frontal immer wieder in die Fresse zu hauen: SO MEINEN WIR DAS! ; DAS IST DER WITZ DARAN! ; JETZT MUSST DU LACHEN! etc…Am deutlichsten wird das immer dann, wenn irgendwelche Kommissare vor durchsichtigen Tafeln stehen, Fotos daranheften, etwas dazuschreiben, Pfeile verwenden und eigentlich ununterbrochen, im Dialog, die Absichten des ohnehin schon völlig übertransparenten Drehbuchs dokumentieren, damit auch noch der Retardierteste des tapferen Zielpublikums begreift, wie sich der Handlungsstrang darstellt und verstehen lassen soll. Aha, für derart hirnträge haltet ihr uns und gedenkt ihr uns auch halten zu wollen. Danke, sehr aufdringlich, Frau Odenthal. Oh ja, gerne, Herr Hofmann, bitte erklären Sie uns das nocheinmal.

Bei Georg Seeßlen/Markus Metz tauchte dieser Begriff auf, die "Blödmaschinen", und dort ist es auch sehr treffend beschrieben, wie sich u.a. das TV nicht nur an vermeintlich schon Stumpfe und "Blöde" wendet, wie die Stumpfen und Blöden nicht nur auf unterstem Niveau (an-)gefüttert und mithin ihre Retardierung immer weiter unterfüttert wird, sondern wie wir als Konsumenten eben auch durch die Dauersendung des Stumpfsinns und der vorgegebenen Welt als zweidimensionales, plattgewalztes Konsuminferno, davon abgehalten werden, die als Realität vermittelte Wirklichkeit als eine Solche überhaupt identifizieren und daraufhin etwaig in Frage stellen zu können. Wenn also ohnehin davon ausgegangen wird, dass es sich bei medial Vermitteltem um Ausschnitte stattfindender und mithin feststehender Realität handelt, unabhängig davon, wie und von wem und warum diese Ausschnitte ausgewählt, zugeschnitten und sortiert werden, dann stellt sich die Frage nach individueller oder abweichender Wirklichkeit erst gar nicht. Wenn es von Seiten der Anbieter und Produzenten gelingt, dem Konsumenten existierende Optionen zu suggerieren, die in der Auswahl von Sender und Sendung bzw. in ( medialer ) Verweigerung bestehen, dann liegt ein eigentliches Gelingen darin, einem Empfänger zu vermitteln, er könne sich den Absender nachträglich aussuchen und durch diese Auswahlfreiheit die Beschaffenheit des (bereits) Empfangenen gestalten.

Ich stelle mir das in etwa vor, als würde sich die Blödheit, unter Kenntnisnahme und Anerkennung ihrer Mühelosigkeit, selbst befruchten und vermehren, und indem sie ausschließlich auf niederfrequentester Welle angefunkt, abgeholt und angesprochen wird, kann und wird sie sich in ihrem So-sein einrichten und es sich bequem machen, auch, weil innerhalb der vorgegebenen Rahmenbedingung grundsätzlich auf mehr als ein Angebot von Lebenswelt und Wirklichkeit gar nicht erst aufmerksam gemacht oder verwiesen werden kann, solange der Rahmen als ein Solcher nicht erkannt ist. Und die Erkenntnis des Bestehens einer Einrahmung wäre die Vorraussetzung, diese auch sprengen zu können.

Alle vermeintlich bestehenden Möglichkeiten, diesen Maschinerien zu entkommen, nähren und manifestieren dann, durch ihr ausdrückliches "Anti" und betontes "Anders", durch ihre exklusive Bezugnahme auf das Abgelehnte, auf das sie dadurch ja zusätzlich verweisen, nur den besser markierten und mehrheitlich einzuschlagenden Weg.

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Autor Florian Giesenhagen

Dipl.-Hygiagoge im Hygiagogik-Zentrum Nordwest

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