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LINKS 2,3,4

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AUGUST 18/3 links 2,3,4

Es ist der 1.Mai 2018 in Deutschland, bei einer Veranstaltung in Chemnitz spielt die Band Kraftklub. Sachsens Ministerpräsident Kretschmer sieht sich bald dazu genötigt, das Konzert demonstrativ und vorzeitig zu verlassen, nicht ohne noch kundzutun, es handle sich bei der Gruppe um eine "unerträgliche und linke Band"...

Nun kann man sich lange und ausgiebig wundern darüber, was diese Aktion eigentlich für eine Bewandnis hatte, was sie aussagen sollte ( immer optimistisch davon ausgehend, dass Menschen in solchen Ämtern über ihre Aussagen nachdenken ) und was sie im Ergebnis und in deröffentlichen Wahrnehmung dann letztlich erzeugt und hinterlässt - geschenkt.

Man fühlt sich zurückversetzt und degradiert, zeitlich und intellektuell, wenn es einfach immer wieder und von allen Seiten fortgesetzt wird, das ewige schwarzweiss - rotbraun - linksrechts Gemale. Es scheint Teil der deutschen, kulturellen Identität zu sein, maximal undifferenziert wahrzunehmen und einzuordnen, Schubladen auf, entweder hier rein, oder eben dort rein, entweder links oder rechts, entweder pro oder anti, entweder das eine, oder eben das andere, aber niemals etwas dazwischen, niemals etwas differenzierter als eben zwei erbärmliche Kategorien, bist du dafür oder dagegen?, wer nicht für uns ist, ist gegen uns etc…Gepaart mit einer kaum zu vergleichenden Machtdistanz, die wir Deutschen empfinden, schafft das den Nährboden für seltsam entstellte und giftige Verwachsungen.

Das macht es einem auch so unglaublich einfach und bequem, sich vermeintlich zu positionieren, muss man gar nicht länger nachdenken, argumentieren oder sich auseinandersetzen, ist doch ganz einfach, für oder gegen den Staat, für oder gegen Ausländer, so und auf diese Weise lassen sich dann auch, im Einrichten kleinster gemeinsamer Nenner, mal eben 7000 Leute mobilisieren ( siehe Chemnitz ), um wieder gegen irgendetwas aufzulaufen, so lässt sich am einfachsten politisch sein, aufstehen, Klamotten an und eingereiht, losmarschiert, ist doch alles so lange schon erprobt, v.a. in diesem Land, so macht ja Politik dann sogar richtig Spaß! Und wer sich in der einen Variante nicht wiederfindet, der wartet noch zwei Stunden, dann poltert die Gegenfront los, anti hier und gegen da, einfach anderes Schuhwerk wählen und an die Parolen ein anti oder gegen ranhängen, ist doch das Leichteste der Welt. Und das Drama beginnt und endet dort, wo Herr Kretschmer sich ebenso dort einreiht und solche Aussagen tätigt.

Die widerlichsten Reaktionen auf diese ganzen widerlichen "Märsche" sind gekennzeichnet durch Aufforderungen zur Exklusion ( Nazis Raus!, "solches Gedankengut hat hier keinen Platz" etc. ), indem auf dummdreist-populistische Weise dazu aufgerufen wird, dieöffentlich eingerichtete und bereitgestellte Schublade einfach mal zu schließen, das sich darin versammelt habende Potential, die darin wütenden Emotionen, Affekte und Unzufriedenheiten auf diese Weise dann eben zu negieren oder aus deröffentlichen Wahrnehmung entfernen zu können. Dann erübrigt sich ja auch die ungeliebte und ungeübte wirkliche Auseinandersetzung, dann muss ja nicht wieder mühevoll integriert und sozialisiert werden, wenn man einfach mal so ausschließen kann, wofür gibt es denn sonst so etwas wie eine Leitkultur, wenn diese nicht auch segregierend, anstelle anleitend walten kann?

Es geht auch nicht immer wieder nur darum, irgendwelche vermeintlich bestehenden Ursache-Wirkungsmechanismen zu erkennen, sondern um die Identifizierung einer Pragmatik, eines möglichen Hebels, um diesen etwaig auch mal betätigen zu können, der diesem ganzen unerträglichen Fremdschämaktionismus , diesem erheitert-unbeteiligt "den durch das Dorf getriebenen Säuen Zusehen", etwas entgegenzustellen hätte, indem er ihm vielleicht ein bisschen Wind aus den künstlich aufgeblähten Segeln zu nehmen vermochte. Vielleicht ist es ja möglich, in deröffentlichen Diskussion und Wahrnehmung, diese Einordnungsfaschismen ( was zu beweisen war... ) mal zu verlassen, nicht nur, indem neue und mehr als zwei Schubladen zur Verfügung gestellt werden, sondern eher schon, indem dies einfach mal unterlassen wird, indem es uns nicht mehr so leicht gemacht wird, ( sich ) einzuordnen und zu positionieren, indem Position, Haltung und Stellungsbezug weniger räumlich ( links/rechts ) gemeint ist, sondern durch Argumentation und Auseinandersetzung gekennzeichnet ist und identifiziert wird.

Das Niveau, das von politischer und medialer Seite vorgegeben und zur Nachahmung bereitgestellt wird, bleibt andernfalls das, welches auch Fußballfans zur Verfügung steht, wo ja auch - und in diesem Segment wunderbar funktionierend und da auch reinpassend - lediglich zwischen blau und gelb, für oder gegen, Schalke oder Dortmund unterschieden wird. Aber es reicht nicht aus und es macht Angst, wenn sich dies inöffentlich geführten Diskussionen fortsetzt, wenn da kein Angebot gemacht wird, diese Kategorisierung und die maximale Undifferenziertheit erweitern zu können, wenn eben immer wieder und immer neu den Leuten vermittelt wird, das Gröhlen von Parolen für oder wider reiche schon aus, um Identität zu stiften, um Gemeinschaft zu erzeugen, um sich selbst aus der Isolation zu lösen, indem andere und anderes isoliert wird.

Vielleicht hilft es ja schon, für den Anfang, wenn man diesen 7000 in Chemnitz keinen Namen gibt, wenn man sie nicht ein-und zuordnet, wenn man ihnen medial nicht behilflich ist und ihnen die Mühe nicht erspart, zu argumentieren und Rechenschaft abzulegen - wenn man jene Verwirrten und Verirrten, die nicht prügeln und den Arm heben, vielmehr einfach mal fragte: Wer seid ihr denn? Was wollt ihr denn eigentlich? Was ist euer Anliegen? Was ist euer Grund, euch bewegt zu haben und zusammengekommen zu sein? Wenn aber von Vornherein und automatisch immer wieder identifiziert wird, zu-und eingeordnet wird, im Nutzen zweier immerselber, archaischer Schubladen, Rechtslinks, Rotbraun, Fürgegen, dann erübrigt sich die Differenzierung, dann gibt es keine weiteren Fragen und auch keine neuen Antworten, dann reicht das allwöchentliche Echauffierungspotential ja aus, um sich bei Weißwein und besten Gewissens selbst davon überzeugen zu können, dieser ( oder der anderen ) Schublade nicht anzugehören.

Und jetzt, nach dem Lesen dieses Textes, taucht da nicht die reflexhafte Frage auf, was der Verfasser eigentlich will und ist? Dafür oder dagegen? Links oder Rechts? Wie habe ich das denn alles einzuordnen, anhand meiner beiden Schubladen? Nicht? Bei mir schon, und das stellt ein Dilemma dar, welches in der Tiefe zugrundeliegen könnte...

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Autor Florian Giesenhagen

Dipl.-Hygiagoge im Hygiagogik-Zentrum Nordwest

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