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verlorenheit der öffentlichen helden

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JUNI 18/1 - #verlorenheit deröffentlichen helden

Ich bin zappend an der LOLA-Preisverleihung hängen- nein, klebengeblieben.

Ein klebriges Erstarren aus Ekel und aus Abscheu. Vielleicht ähnelt dieser Reflex in Fragwürdigkeit und in Unbedingtheit dem Begaffen von Unfällen auf Autobahnen, zu dem sich andere Kreaturen veranlasst sehen. Ich begaffe die eben gerade nicht verunfallenden deutschen Schauspieler, wie sie da so unglaublich abgeklärt und souverän mit einem Höllentempo die engen Pfade des Sozialen durchrasen, wie auf Schienen, jede Kurve kennend, jede Unebenheit im Dialog weiträumig umfahrend und jede längere gerade Strecke ausnutzend, um bisschen Gas zu geben, in Richtung gelungene, soziale Inszenierung, und eben nicht Interaktion, weil sie den oder die anderen ja nicht mitnehmen, sondern Spalier stehen lassen und eben nur als Zeuge gebrauchen, als Spiegel ihres makellos funktionierenden und einwandbefreiten Selbstvollzugs.

Das tut ja beinahe weh, wie diese Hüllen da agieren und sich dabei auch noch gegenseitig in ihrer Grandiosität feiern und aufpumpen. Marie Bäumer redet ununterbrochen davon, wie schwierig und wie wichtig es gewesen sei, bei der Darstellung der ikonisierten Romy Schneider, die Kollegin nicht zu "imitieren", und man merkt an jeder ihrer Gesten, an jeder prätentiösen Mimik und an jedem kalkulierten Augenaufschlag und Haarezurückwerfen, dass ihr genau das eben nicht gelungen ist, immer noch nicht gelingt, dass da irgendetwas noch nicht wieder zurück in sie gefahren ist ( "Marie, was ist denn in dich gefahren?"  "Ich weiß nicht, vielleicht Romy Schneider, das war gar nicht meine Absicht..."), etwas auch nur im Ansatz "Bäumerisches", dass der Auftritt beim Filmpreis immer noch Teil der Rolle ist, die sie wahrscheinlich unglaublich genossen hat und offensichtlich immer noch genießt.

Gut, dass man sie nicht für Gudrun Ensslin besetzt hat, oder Mata Hari oder Josef Stalin.

So nervt das zumindest nur, ist aber im Übrigen und für alle Übrigen völlig irrelevant, weswegen ich ja auch nur ein bis zwei Sätze darüber schreibe, weil ich ja auch nur ein bis zwei Stunden da hängen- nein, klebengeblieben bin.

Aber, also : worum geht es denn beim Schauspiel sonst, wenn nicht um die Nachahmung oder eben Imitation eines anderen, sich diesem in Haltung und Sprache nachahmend und darstellend anzugleichen? Wenn Mimesis, als das Prinzip dieser Nachahmung, das Vermögen beschreibt, mittels Gesten Wirkungen zu erzielen, dann reduziert sich jeder schauspielerische Versuch oder Antrieb, die imitierende Mimesis zu vermeiden, auf einen Vorgang von eitler und bemühter Selbst-Darstellung. Und dies ist es ja dann auch immer wieder, als ein Solches erscheint das dem Zuschauer, auch wenn es klischiert klingen mag ( "die spielt sich ja permanent nur selbst"):

Man schaut den immer gleichen, ambitionierten Menschen dabei zu, wie sie sich eifrig selbstdarstellen, wie sie sich in wechselnden Rollen und Gewändern darin gefallen, ihren eigenen Charakter um Facetten des Dargestellten zu nuancieren. Es heisst ja nicht umsonst "Götz George als Heinrich George", "Marie Bäumer als Romy Schneider", "Christine Neubauer als Christine Neubauer" etc.

Insofern ist also gerade das Misslingen dessen, was Frau Bäumer zu intendieren gedachte, im Scheitern und im Resultat ein gelingendes Prinzip, namentlich des der Nachahmung und der Imitation. ( Ich meine, sie hätte am Ende auch den Preis abgeräumt. )

Unangenehm und tragisch wiederum: Der beanspruchte und der eingenommene Raum, die Wichtigkeit des Kunstschaffenden im Allgemeinen - und des Schauspielers im Besonderen. Die nichtwiderrufbare Verlorenheit dieseröffentlich gefeierten Existenzen, der Schaden, der diesen Menschen zugefügt wird, indem man sie emporhebt, feiert und bewundert, indem man sie ikonisch verklärt, sie überzeichnet bis zur Unkenntlichkeit, sie aufbläht und aufpumpt, bis sie platzen.

Das kann nicht ausgehalten werden, dem hat die fragile Identität wenig entgegenzusetzen. Die Spuren und Verwüstungen, die solche Vorgänge hinterlassen, sind in all den Gesichtern zu erkennen, die als Solche schon bald nicht mehr zu erkennen sind.

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Autor Florian Giesenhagen

Dipl.-Hygiagoge im Hygiagogik-Zentrum Nordwest

1 Kommentare

  1. Stephan Selle2018-06-13 17:35:00

    Deutsche Schauspieler arbeiten noch immer im Paradigma des Stummfilms (oder des Deutschen Theaters), bei dem es zu jedem Gefühl die passende Mimik und die angemessene Gestik gibt. Die besseren amerikanischen Schauspieler arbeiten mit "dead pan", dem Tote-Pfanne-Gesichtsausdruck, und lassen im Film die Einstellung, die Props, die Beleuchtung: den Kontext, für den Ausdruck sorgen. Diese eiserne Disziplin der Nicht-Expression fehlt den Deutschen (und Franzosen), die lieben immer noch die Idee, dass die Seele sich im Körper ausdrückt, der Körper das Symptom des Leidens ist. Die gut funktionierenden Ami-Stars sind viel näher an Brechts epischen Spiel: der Zuschauer sieht den Star, der einen anderen spielt, nicht den Anderen. Dieses zeigende Hinweisen im Spiel auf das Gespielt-sein ist die große Kunst von Bruce Willis oder Robert de Niro.

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