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Springende Punkte

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MAI 22#2 SPRINGENDE PUNKTE


Nochmal zu dem, was ich neulich zum Thema „Hakenschlagen“ ( BLOG „ACHT TAGE IM MÄRZ“…) schon versuchte zu denken, womit ich mich auseinandersetzen scheine zu sollen, und worüber man dann interessanterweise ja permanent irgendwie „stolpert“, in anderen Zusammenhängen, weil die Wahrnehmung in diese Richtung geeicht ist und sensibel wird, für solche Zu-Fälle, weil dieses Thema sich er-schließt und Ent-schlossenheit erzeugt oder vorfindet:


Speziell in Gemeinschaftsbeziehungen und ganz besonders im Freundschaftskontext darf Kritik aufs Ganze gehen.

In Einzelfällen MUSS sie dies sogar.


Es kann keine an sich und per Vortrag schon „konstruktive“ Kritik geben. 

Weil diese nicht ankommen würde, nichts auszurichten vermag, wie eine Art ( Gegen-) Vorschlag wahrgenommen wird, auf etwas, dass man selber nicht zur Diskussion gestellt  - oder vorgeschlagen hatte.

Das tatsächlich konstruktive Moment einer Kritik besteht in WIDERSTÄNDEN und AUSEINANDERSETZUNG. Diese werden jedoch erst durch Kritik und Infragestellung eingeleitet.

Je vorsichtiger, versachlichter oder neutral bis wohlwollender dies aber angelegt ist, desto unwahrscheinlicher die wirkliche Auseinandergesetztheit des Kritisierten, desto abstrakter auch der innere und äußere Widerstand.


Der Kritisierte soll durch die erfahrene Kritik inhaltlich „ange-BRÜLLT“ und kontextuell vor eine Wahl gestellt sein: 

Annehmen, verändern, sich aus den dekonstruierten und zersprengten Einzelteilen rekonstruieren, neu zusammensetzen, neu MACHEN  - oder, alternativ: 

Trotz, Stagnation, Rückbrüllen.

Brüche in der Beziehung oder sogar Aufkündigung von Freundschaft. 


Temporäres „Beleidigtsein“ ist angemessen, unter Umständen sogar kurzfristig erforderlich - Wirkungstreffer, der Angebrüllte zuckt und zieht ( sich ) zurück - die Auseinandersetzung darf aber dadurch nicht außer Kraft gesetzt sein, ansonsten ist die Folge Retardierung, weniger als Stillstand, sondern eher schon als ein Rückwärtsgehen, als Degeneration, um einen vermeintlich bestehenden Status-Quo aufrechtzuerhalten, der per vollzogener und vernommener, absoluter Kritik schon nicht mehr aktuell ist und in dieser Form nicht mehr besteht, an dem sich der Beleidigte nur festzuhalten bemüht, an den er sich klammert, wodurch und indem er ein Loslassen unterlässt.

Solche Vermeidung führt zu Verrenkung, die den ICH-Entwurf verzerrt.

Ein reflexiver Krampf, in Standpunkt und Mimetik, der geblendete Charakter erblindet an - und für sich selbst.


Wirklich zugewandte Kritik, der es ernst ist, deren Inhalt und Vornahme Beziehungspflege intendiert und deren Intentionalitätszentrum geradezu die Freundschaftlichkeit IST, solche Kritik muss mindestens dekonstruieren und somit das Bestehende auf eine Weise hinterfragen, dass der Kritisierte sich in der bis dahin vorgefundenen Form auch selber und als Ganzes in Frage stellt und gestellt sieht. 

Alles andere ist pseudo-konstruktiv und lediglich inszenierte Nähe, ein retrospektiver Vorgang der Vorstellungs-Nachahmung ( von Wirklichkeit allgemein und von Freundschaft im Konkreten ).

Es wohnt dem kein Hebungspotential inne, sofern es kein Entweder-Oder hinterlässt, keine absolute Wahlaufforderung implementiert.


Selbst, wenn aus der eigentlich „richtigen“ ( der freundschaftlichen ) Absicht heraus, die vorgenommene, absolute Kritik intentional oder interpretativ danebenzielt, so kann der Vorgang letztlich doch ein Bewegungsmoment erzeugen oder hervor-heben, dann jedoch wechselwirkend, eben direkt auch auf Seiten des Kritisierenden, der sich inhaltlich eventuell vertan oder verhoben hat, dessen Handlung jedoch die Beziehung als Freundschaft definiert, oder die bereits bestehende Freundschaftlichkeit somit situativ und fundamental untermauert. 

Es bedarf dann einer interaktiven Überprüfung der sich durch den Kritik-Vorgang bereits modifiziert habenden Situation und Wahrnehmung, sowie einer tieferen Hinterfragung der vorhandenen und zur Kritik veranlassenden Motive.


Es macht auch keinen Sinn, auf eine unbedingte Kritik mit wehrhafter Negation zu reagieren, sich abzustrampeln im Bemühen, die eigene Auffassung zu vertreten oder durchzusetzen - denn der entscheidende Vorgang ist bereits geschehen: 

die eigene Handlung ( und damit der zugrundeliegende ICH-ENTWURF ) wurde auf eine Weise wahrgenommen und interpretiert, die Anlass zur Infragestellung bietet. 

Das lässt sich nachträglich nicht ändern, dieser Konfrontation wird sich nicht entzogen werden können. 

Zu klären ist entweder die zur Sprache gebrachte Inhaltlichkeit, oder eben der Beziehungskontext, dieser dann aber vor dem Hintergrund einer grundsätzlich erteilten, noch zu erteilenden oder zu verweigernden Legitimation des Vorgangs. 

Das waltende Geflecht der Beziehung verändert sich jeden-falls, erfährt entweder eine ( freundschaftliche ) Fundierung, oder wird in der Zurückweisung trivialisiert.


Ob Nähe ein zu-nahe treten ist, wird ja vom Empfänger definiert, dem sich angenähert wurde, zu dem die Distanz überbrückt wurde. Der sich ( kritisierend ) Annähernde hat bereits eine Entscheidung getroffen, diese markiert eine (als) gemeinsam empfundene und erlebte Situation, aus der sich wiederum ein WIR konstituiert

Das stellt ein grundsätzliches Bekenntnis, eine Anfrage und ein Angebot dar.

Es ist unzureichend, darauf nur zu re-agieren.

Es bedarf dann vielmehr einer ANTWORT, die wesenhaft vom Grunde auf erteilt wird, bei der alles auf dem Spiel steht und durch die etwas Strukturelles oder Grundphänomenales ( Beziehung oder Bezogenheit ) verhandelt wird.


Um im Bild ( des „EMPFANGENS“ ) zu bleiben:

Als vom Absender adressierter Empfänger einer SENDUNG, bin ich als Adressat definiert und als Empfänger installiert, darüber kann ich nicht nachträglich entscheiden.

Zu entscheiden ist letztlich über den Vorgang der AN-NAHME einer Sendung - dies jedoch auch nur wenn und indem ich mit dem Empfang konfrontiert bin. 

Ich be-finde mich also bereits in der Auseinandersetzung, insofern, als ich darüber zu befinden habe, ob ich die empfangene Sendung anzunehmen bereit bin.


Es bleibt als Anforderung bestehen: 

Die Kenntnisnahme von Konfrontation.

Die NICHTVERWEIGERUNG von Auseinandersetzung - unabhängig davon, wie fremd einem die Wirklichkeitsauffassung des Kritisierenden erscheinen mag, wie nervend sich das auswirkt und wie groß die Verärgerung oder das Entsetzen zunächst ist.

Aus der Enge der unmittelbaren Auseinandergesetzt-heit wird eine veränderte Ich-Wahl vorgenommen, die zunächst den Bewegungsspielraum er-weitern und Handlungsoptionen bereitstellen soll. 

Die Beziehung ist bis auf Weiteres und für den Moment als Freundschaft installiert - auch, wenn sich dann oder dadurch die Wege trennen, mindestens BIS sich die Wege trennen.

Ist das so?


Vielleicht greift auch in diesem Zusammenhang das, was als „Wahlfreiheit“, oder als „freier Wille“ bezeichnet wird.

Freiheit ist lediglich an-gelegt, niemand IST frei, nur weil er Mensch ist. 

Frei-heit muss frei-gelegt werden und durch Auseinandersetzung hervorbrechen, als Möglichkeit, als Potenzial ( ähnlich der „WÜRDE des Menschen“, die als grundsätzlich unantastbares „RECHT auf Würde“ beansprucht und im Handeln umgesetzt bzw zugeschrieben werden kann, nicht aber per Definition unantastbar IST - ich hab das schon einmal versucht, zu denken - auch in „ACHT TAGE IM MÄRZ“ ? ).


Freiheit wäre demnach auch die Wahl der Selbstgestaltung und des jeweiligen und meinhaftigen Entwurfes, der sich aber dadurch begrenzt sieht, dass die Situationen vorgefunden und der Charakter nicht alleine entworfen oder gewählt wird, sondern auch eingeprägt, eingelebt, eingeleibt ist.

Aus diesen Kontingenten und Potentialen kann ( frei ) gewählt werden, diese (Aus-) Gestaltungen sind wandel-und wählbar.


Aber - auch, um wieder auf die (ver-) nichtende KRITIK zurückzukommen: 

Der WILLE benötigt Widerstände, um sich zu konstituieren, ebenso die Freiheit. 

Erst in Auseinandersetzung und im resultierenden Auseinandergesetzt-sein stellen sich Wahlmöglichkeiten dar, die vorher nicht bestanden oder hervortraten.



Was NICHT freundschaftlich und was auch nicht gemeint ist: Einfach nur in alle Richtungen schimpfen und spucken, persönlich angreifen und Distanzen entweder nicht wahrnehmen, oder diese unmittelbar und in eine Richtung überbrücken, indem einseitig kritisiert und übergriffen wird.

Immer wieder vorsätzlich, zu eigenen Gunsten und auf Kosten Beteiligter: den anderen berühren wollen und angefasst vorfinden. 

Auch schon erlebt, sowas, hat nichts mit Freundschaft oder Beziehungspflege zu tun,  eher schon mit einer Art „Sozialspastik“, die immer dann einsetzt, wenn sich wirkliche, empfundene Nähe einstellen könnte und man diesem Geschehen emotional nicht ge-wachsen ist.

( Absolutes Highlight an Eigen-Legitimation, an Vereinbarungen, die man mit sich selbst trifft : 

„wir sind befreundet, das müsst ihr aushalten!“ )


Es liegen da Verwechslungen vor und Missverständnisse zugrunde, es bestehen offenkundige und tiefenfundierte Unterschiede zwischen An-GRIFF und Auseinandersetzung, zwischen geteilter Nähe und aggressiv-konfrontativer Distanzlosigkeit.


Wiederholte Übergriffigkeit und unvereinbarte Distanzüberbrückung würde demnach gleichzeitig basieren auf - und resultieren in - einer überdrehten Selbstreferenz, die ausschließlich und ausschließend waltet, dadurch aber schon dermaßen erhitzt und außer Kontrolle ist, dass die Fähigkeit zur Reflexion ebenso deaktiviert wird, wie die Bereitschaft zur RESONANZ-Erfahrung inaktiv bleibt.











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Autor Florian Giesenhagen

Dipl.-Hygiagoge im Hygiagogik-Zentrum Nordwest

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