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IM GRUNDE GENOMMEN, GEGEBEN

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September 22/1 # Im Grunde genommen, gegeben

Ganz am Anfang, vor allem Denken, vor jedem Gefühl und jeder reaktiven Emotion, pulsiert tief im Inneren eine Art vulnerables Zur-Welt Sein, welches ich in mir finde, das mich an-geht und von dem ich mich an-gegangen sehe, bevor ich mich noch aktiv und gestalterisch dem Da-Sein und dem Anderen aussetze, und bevor ich mich als Person in Welt und in ein Geschehen zu werfen habe.

Ich frage mich, ob die Schnittmengen, die bei der Vereinbarung von Realität zwischen Ich und Du, zwischen mir und dem Anderen gebildet werden, auch im Hin-Blick auf die Selbstkonzeption greifen oder zugrundeliegen.

Sofern der Wirklichkeitsauf-schluss eines Schlüssels bedarf, der gemeinschaftlich geschliffen ist, der sowohl eigener Gestaltung, wie auch des empfangenen Bildes weiterer Akteure unterliegt, oder mindestens von diesen nicht unbeeinflusst bleibt, so muss das auch den Entwurf betreffen, den wir an und von uns selbst vornehmen, von dem ausgehend wir uns im Grunde genommen (und) gegeben sind.

Das würde bedeuten, dass wir nicht völlig autonom ein konstitutives ICH konzipieren, sondern vielmehr in einer wiederum grund-sätzlichen und situativen Entworfenheit ein Oszillat zu sein haben, aus dem, was uns gespiegelt und zurückgeworfen wird, und was wir frei gestalten, beitragen, hinzufügen - aber stets nur anhand einer zugrundeliegenden, ursprünglichen Konfrontiertheit, und auch anhand der Aufrichtigkeit, mit der wir uns dieser zu stellen vermögen.

Es erscheint mir manchmal, als korrelierte dieses Rauschen, dieses „Störgeräusch“, das im Sozialen vor-gefunden ist und es ermöglicht, uns angenähert an uns vorzu-finden, mit der mehr oder weniger vehementen Bestrebung, die eigene Angegriffenheit, das An-gegangen-Sein und letztlich die „Verletztheit“(im Sinne einer Irritation, Beeinträchtigung) des Empfindens zu verteidigen.

Eine uns eingeschriebene Fragilität und eine ursprüngliche, allem ausgesetzte Verwundung des Zur-Welt-Seins nicht erkennbar werden zu lassen, zu verschleiern oder zu verstecken, zuletzt auch vor uns selbst.

Je weniger authentisch, je mimetischer also der eigene Grundentwurf sich abzeichnet und darstellt, desto schräger die Zurückwerfung und desto verzerrter der Empfang des Bildes der Anderen.

Der Aufwand, den eigenen Beitrag an der Selbstkonzeption durchzusetzen, oder mindestens auch in jene Schnittmengen einzubringen, im Ringen mit den Rückkopplungen und den Interferenzen des Sozialen und überhaupt auch des Auftretens eines Anderen, ist umso größer, je unaufrichtiger sich der grundsätzlichen Emp-Findung gestellt wird.

Wer sich schon an sich selbst verhebt, der wird auch keinen Anderen tragen können.

Die Schnittmengen, die emp- und dadurch ge- FUNDEN werden, sind dann zu vage und zu schmal, um ausgestaltet und betretbar zu sein, zu tendenziös selbstbezüglich, um gemeinsam BEZOGEN und in wechselwirkendem AN- GANG ausagiert zu werden.

Anforderungen der Intersubjektivität bestünden somit einerseits darin, die uns zugemuteten, anfänglich immer noch abstrakten Irritationen und Dissonanzen in vermeintlichen Innenräumen, als konkrete und er-lebte Erfahrung im ZWISCHENRAUM zu transzendieren und sich gegenseitig als SITUATION zu übersetzen, die sich als Solche einschreiben kann. Situationen werden dort bezüglich, wo und da die An-teilnahme gefühlshaft aufgeladen oder angereichert ist.

Andererseits muss Anschlussfähigkeit bestehen und intendiert sein, sonst blühen hier Neurosen und gedeihen dort Psychosen, auf dem Boden von Introjektion und Introversion.

Es ist anzunehmen, dass ein ursprüngliches und tiefenfundiertes Emp-Finden sich in den ersten Lebensjahren ausgestaltet und einprägt, wie eine Art „Grundwerkzeug“, mit und immer nur anhand dessen ich meine Wirklichkeit er- schließen kann. Ein Gewebe, dessen Fasern fortan alle Stofflichkeit durchdringt, eine Codierung oder Signatur, die unverkennbar bleibt und nicht mehr zu (ver)wechseln ist.

Die Erschließung bleibt frei wählbar und ist intersubjektiv auszugestalten - den Schlüssel und dessen Beschaffenheit muss ich vor-finden.

Der noch rohe und schon empfindsame „Klumpen“, der ich wesenhaft bin und der ich auch zu sein habe, kann, soll, muss geradezu bearbeitet, verändert und entwickelt werden.

Die mich ausstattende Grundierung für den eigenen Auszeugungsvorgang, aus dem ich in Interaktion hervorgehe und mich in Schnittmengen hervorgebracht sehe, der lässt sich jeweils nur anhand dieser mir konstitutiv eingeprägten Emp-Findung ausgestalten.

Was wir also „trainieren“ können (HYGIAGOGIK ist immer auch „Empfindungstraining“), ist ein nachträglicher Feinschliff der immer reversiblen Abgestumpftheit, die uns den Zugang zu einer allem vorausgehenden Betroffenheit erschwert, und somit den Blick auf den Angang verstellt, der uns als Mensch hervorhebt und als Person kennzeichnet.

Eben dem Rauschen und der Irritiertheit gewahr zu sein, deren Registratur uns jeweils wieder anzubinden vermag, an etwas, das mehr auf uns selbst verweist, als jede Meinung und jeder Gedanke.

Um das, was im Blog auf der Website (hygiagogik.com:„Angst ist Anlass wegzurennen, nicht aber Beweggrund“) angesprochen, oder nur an-und aufgerissen war, zu konkretisieren, zu Ende zu denken:

Was bei gewohnheitsmäßigem Drogenkonsum geschieht, ist letztlich die Versperrung des Zugangs zur Empfindung.

Der Junkie verliert auf Dauer seine Empfindungsroutinen - jedoch nicht zugunsten einer Modifizierung, eines Lernprozesses oder einer Ent-wicklung (jedes Lernen fängt dort an, wo Gewohnheit verändert wird), sondern auf Kosten dessen, was ihm im Grunde genommen gegeben ist und ihn persönlich aus-zeichnet und identifiziert.

Die bleiche, fahle, irgendwie „echsenhafte“ Erscheinung, das bald schon schuppige Reptilienrelief, das ihn zunächst außen, auf und unter der Haut, befällt, frisst sich langsam und beständig nach innen, durchdringt jede Faser seines Gewebes, bis da nur noch vereinzelte Verweise auf ihn übrig sind, bis er in und aus Reminiszenzen empfindet und agiert.

Er hat zwar noch Emotionen - er reagiert körperlich auf äußere Stimuli - aber selbst das Fühlen ist nicht mehr an- oder rückgebunden an die ursprüngliche und ihm eigenseiende und ihn ausmachende Empfindung.

Das ist letztlich und motivational aber auch „Sinn der Sache“: der unablässige Strom der Konfrontiertheit wird nüchtern nicht (mehr) ausgehalten, und der Nutzer erfährt durch die Droge eine zunächst kurzfristige Unterbrechung dieser ihn betreffenden und überfordernden Ausgesetztheit.

Er verwechselt Verlust mit Vermögen, indem er sich selber einzureden imstande ist - zuletzt auch mittels einer konkreten Euphorisierung und einer abstrakten Selbstreferentialität der personalen und der Ich-Identität - er beherrsche die Klaviatur seiner Empfindungen in diesem Zustand in-wendig.

Eigentlich rezitiert er jedoch die bereits schon erfahrenen Routinen aus- wendig, ohne von diesen noch betroffen zu sein, ohne dass ihn noch irgendetwas an-zugehen vermag.

An irgendeinem Punkt seiner Abhängigkeit wird ihm dieser Umstand mehr oder minder „bewusst“, er fühlt, dass er nicht fühlt - das stellt den Scheitelpunkt der nach unten offenen Parabel dar, die flache Monotonie seines sich täglich wiederholenden Er-Lebens erscheint ihm durchgekaut, mit der Betroffenheit geht auch die (An-)Teilnahme verloren.

Der Ausstieg (aus der Sucht) wird zum Wieder-Einstieg (in Empfindung und in Leben), der ihm kaum noch vorstell- oder durchführbar erscheint.

Er hat neu zu erlernen, was nüchtern, vollumfänglich und ununterbrochen, ausgehalten werden muss:

Empfindung, Angang und Betroffenheit.

Das Emp-Finden ist das, was wir im Kern SIND - was Grund und Begründung dafür sein mag und bildet, dass wir am aufrichtigsten erscheinen, uns selbst am ähnlichsten sehen und am nahesten kommen, wenn wir uns in Schmerz und in Verletzung begegnen und jeweilig finden.

Es ist grundsätzlich und in jeder Situation am ehesten das, was mich mir GIBT.

Ein zugemutetes Geschenk. 

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Autor Florian Giesenhagen

Dipl.-Hygiagoge im Hygiagogik-Zentrum Nordwest

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