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Liebscher und Bracht - Deutsche Borniertheit 3.0

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JANUAR 24/1  #LIEBSCHER UND BRACHT - Deutsche Borniertheit 3.0


A hatte mir das vor einigen Jahren mal „prophezeit“:
Solange du von den Schülerzahlen her unter dem öffentlichen Radar bleibst, lassen sie dich machen. 

Sofern und alsbald du jedoch quantitativ gefährlich wirst, vielleicht so ab 1000 Schülern ( ! ), werden sie dir reingrätschen, massiv…“



Von den 1000 Schülern bin ich nur noch um ca. 998 entfernt.

Ich verfolge die Berichterstattung über die „Abmahnungen“ des Ehepaares Liebscher-Bracht auch deshalb interessiert, weil es so vorhersagbar war, weil es durchschaubar und beinahe zwangsläufig ist:

Es wird mit dem ganz großen, juristisch-drohenden, „wissenschaftlichen“ und paradigmatisch-biomedizinischen Besteck hantiert, um etwas in Verruf zu bringen, das nicht einmal eine tatsächliche Gefährdung darstellt, für das Etablierte. 

Eine Methodik, die nicht wirklich „anders“ denkt und vorgeht.

Warum nur das Gebrüll, woher die Lautstärke?


Es scheint da eine grundsätzliche Angst zu bestehen, von Seiten derer, die die entscheidenden Hebel betätigen, die gesellschaftliches Denken und waltende Paradigmatik definieren, die Lehrmeinungen und Herangehensweisen vorgeben, die vielleicht auch darin oder davor besteht, Prozesse eingeleitet zu sehen, auf derem Wege sich Vormachtstellung und Doktrin dann doch als antastbar erweisen.

Vielleicht eine konkrete Furcht, davor, den bestehenden Status als Leitinstanz fundamental einzubüßen?


Ängste sind umso größer, das eigene Bellen proportional lauter, je fragiler und instabiler das zu Verteidigende konstruiert ist, je überholter und weniger profund das Bestehende inhaltlich durchdrungen und verwurzelt ist.  

Je mehr Risse und Brüche sich durch die Porösität des argumentativen und philosophischen Altbaus ziehen, desto fundamentaler wird er gegen Modernisierung verteidigt sein müssen - sofern denn kein erweiterter Aufschluss an Umdenken, an Horizont und Hintergründigkeit zugelassen wird, bzw. werden soll und darf, weiterhin und dauerhaft. 


Absurd ist: 

Das, was Liebscher und Bracht da bereitstellen, wiederum inhaltlich, weniger konzeptionell, mehr methodisch, mag vieles sein - erfolgreich, zeitgemäß oder dem Zeitgeist entsprechend, indikativ wirksam, handhabbar, äußerlich modern etc…- eines ist es jedoch sicherlich nicht:

Wirklich umwälzend und erneuernd, neuartig oder gar epochal. 

Die Gefahrenlage kann sich demnach nicht aus einer zu befürchtenden Veränderung und definitorischen Neukonstellation ergeben, sofern man willens und befähigt ist, genauer hinzusehen.

Es ist nur eine weitere Methode im immerselben Paradigma, eine weitere freshe und sexy Sau, die durch die immergleichen Dörfer Nachsorge, Kuration, Biomedizin, Pseudo-Ganzheitlichkeit getrieben wird, in den immer noch unangetasteten und immer weiter nur verwalteten Ländern des Reduktionismus und Psychologismus.


Wo und was wäre das Problem, wenn da jemand anders denkt, vorgeht, handelt und den Leuten auf seine Art und Weise ihre Schmerzen nimmt?

Die Bedrohungslage besteht also und definitiv nicht im vermeintlich alternativen Ansatz. 

Sie entsteht aus der medial-ästhetischen Anziehungskraft und aus der quantitativen Masse derer, die dieser Methodik folgen und sie viralisieren.


So schalten sich dann unaufgefordert die Leitmedien zu und bedienen den ausgerufenen Tenor, um das, was aufstrebt und potentiell bedrohlich wird, kleinzuhalten, oder besser noch: 

in Verruf zu bringen.

Denn - was öffentlich immer hängen und an den Betroffenen kleben bleibt, ist der Name bzw die Marke, in einem Satz mit dem übelriechenden Begriff der Abmahnung.

Das wird man in Folge nicht mehr los, das lässt sich nicht von den Schuhen schütteln, das Netz vergisst nicht, niemals - und genau darum geht es, dieses Ziel ist damit, ein für alle Mal, erreicht. 

Wenn die Deutschen, mit ihrem Hang zu Einebnung und Gleichmacherei, zu Demontage und Zurechtstutzung dessen, was man zuvor eigenhändig mythologisierte, sowie in ihrer Unfähigkeit, menschliche Widersprüchlichkeit und charakterliche Dissonanz zu ertragen, sich einmal auf jemanden eingeschossen haben, dann wird er nicht mehr auf(er)stehen. Man könnte Boris Becker oder - RIP - Franz Beckenbauer fragen.


Es wird fortan kaum noch jemand komplette Artikel lesen, oder sich gar inhaltlich mit der Angelegenheit auseinandersetzen. 

Das ist das Springer-Gesetz, Überschrift reicht, die Parole ist ausgerufen…

Keiner wird sich fortan mühevoll wissend machen wollen, reindenken und weitere, tiefergehende Informationen generieren und/oder an beiden Seiten einsammeln, kaum jemand wird Perspektiven wechseln und noch selber nachdenken, denn so ist es einfacher, bequemer und vor allem der Gewohnheit entsprechend: 

Einfach in das zur Zeit meistverwendete Horn stoßen, den Ohrwurm mitträllern, nochmal drauftreten auf das, was da am Boden liegt und was unisono und an allen Stammtischen und in allen einschlägigen Foren und reinschlagenden Shitstorms (die Stammtische der GEN Z ?) sich ohnehin schon in empörter Verwurstung befindet. 


Es reicht aus, medial bereits begonnene Sätze und Parolen zu beenden, also deren Ende mitzusprechen, in den Refrain einzustimmen, an entscheidender Stelle mitzuklatschen, im Takt des öffentlichen Verrufes.


Dazu fällt mir ein, im Zusammenhang des Mitsprechens:

Es gab (und gibt?) da ein Phänomen, welches tatsächlich und erfahrungsgemäß häufig auch die Ehefrauen beruflich erfolgreicher, „reicher“ und angesehener Männer betrifft, mindestens aber um die 1980´er Jahre betraf: 

Die Sätze anderer-vorzugsweise des eigenen Ehemannes- lippenlesend zu beenden, diese im Ausklang einfach, kopfnickend bestätigend, mitzusprechen, sich Inhalt und Aussage derart einzuverleiben und kuckucks-oder elsternhaft zu beanspruchen, Kraft einer antizipativen Fähigkeit, und auch mittels der Vorrausschaubarkeit der jeweiligen Aussagen, die zumeist von den entsprechenden Ehemännern vielfach verwendet und somit nur allzu vertraut waren. 

Wunderschöne Schauspiele waren das, als heranwachsendes Kind und auf dem Schoße der Eltern einsehbar, zu beinahe jedem gesellschaftlichen Anlass.

Es lag eine würdevolle Verlorenheit in diesen vielfach aufgespritzten Gesichtern, ein Faszinosum der von Sonnenbänken schon ledrigen Haut, der plötzlich ganz wachen, aufmerksam dem Munde des Sprechenden folgenden, geröteten Augen, unter den von Alkohol beschwerten und vom Leben schon ganz müden Augenlidern, bloß nicht den eigenen Einsatz zu verpassen, nicht den falschen Text aufzusagen…

Der Hauch von Erleichterung dann, das Aufblitzen eines kurzen und flüchtigen Glanzes im trüben und getrübten Blick, der kleine Rest von Stolz und Anerkennung, der vom Sprechenden auf die Mitsprechende noch überschwappte, wenn allenthalben, ebenso kopfnickend, Bestätigung erteilt wurde, der Aussage und dem, nein, den Aussagenden…


Wo war ich?

Um das hier mal klarzustellen:

Liebscher und Bracht sind (mir) völlig egal und auch austauschbar, sind weder Pioniere, noch verändern oder bereichern sie mit ihrer Methode irgendetwas von Grunde auf. 

Sie tragen noch nicht einmal etwas zu einer ohnehin noch nicht wirklich angestoßenen und dringlichst noch einzuleitenden Debatte bei, das tatsächlich, im Kern und in der Tiefe, etwas bewegen oder erneuern würde, oder auch nur könnte. Vielleicht ist das auch nicht ihre Absicht oder Intention.

Was sie zum Thema, zum „Feind“ der Arrivierten und zu deren empfundener Bedrohung macht:

Sie haben Erfolg - und diesen in einem besetzten Feld und beanspruchten Metier…


Es ist derselbe Zusammenhang, in dem Homöpathie und alle anderen „alternativen Heilmethoden“ in Deutschland abgehandelt und einzuordnen sind:

Das Immergleiche, nur anders verpackt und verkauft.

Weder ein Wechsel des Paradigmas ist da potentiell möglich, noch und schon einmal überhaupt nicht ein Anstoß zu einem erweiterten oder gar veränderten Gesundheitsbegriff.

Das Paradigma bleibt vorwiegend das der Biomedizin, die Auffassung folgt bräsig-behäbig der Definition im Rahmen der 1948(!) von der WHO verlautbarten Begriffe:


„Gesundheit ist ein ZUSTAND (!) völligen psychischen, physischen und sozialen Wohlbefindens und nicht nur das Freisein von Krankheit und Gebrechen.“


Bleibt klarzustellen: Gesundheit ist also zu konstatieren (als „Zustand“), ist absolut („völlig“) und ist „nicht nur“ - aber eben auch und vorwiegend, weil anhand dieser Beschreibung definiert - „das Freisein von“…


Es ist einerseits müßig, sich in diesem Zusammenhang wieder über Fragwürdigkeiten von definitorischer Negation und des Begriffs des ZUSTANDES auszulassen. 

Nichts Lebendiges kann sich jemals in „Zuständen“ befinden. Nichts IST, alles WIRD, Werden ist das Grundwort des Lebendigen, des Menschlichen.


Andererseits würde es, unter „normalen“ Maßstäben und Umständen, wundern, dass eine vorgenommene Begriffsklärung bald 80 Jahre geltend und unangetastet ist und bislang nicht tiefenphänomenal revisiert wurde.

(Die Ottawa-Charta von 1986 handelt „Gesundheitsförderung“ im Konkreten ab, nicht aber das Phänomen -und die Definition der- Gesundheit)


Jedoch sind hinsichtlich von Gesundheit diese Maßstäbe und Umstände besonders, eben gerade weil die philosophisch-phänomenologische Grundlegung immer noch ausbleibt.

(Dies soll, an anderer Stelle, angestoßen und verändert sein.

blog auf hygiagogik.com)


Es macht keinen wirklichen Unterschied, ob ich mit meinen Symptomen, die eventuell mein „psychisches, physisches oder soziales Wohlbefinden“ beeinträchtigen, zu einem Mediziner gehe und mir Tabletten oder Gelenkersatz verordnen lasse, oder zu einem Heilpraktiker, der mir diesbezüglich Globuli, Heilerde oder Entsäuerung empfiehlt oder verschreibt - oder aber zu Roland Liebscher-Bracht, der mir Quarkwickel macht oder Übungen für Augen oder Gelenke zeigt usw…

Die Verantwortung wird in allen Fällen abgegeben, die Pragmatik bleibt indikativ und kurativ, es bleibt im Wesentlichen Nachsorge, in Einzelfallen Prävention, und im Speziellen Well-Being und Selbstoptimierung.


Das, was im Falle von Liebscher und Bracht die gesammelte Vorherrschaft alarmiert und aktiviert, ist auch das Selbstbewusstsein und das Selbstverständnis des Ehepaares:

„Wir wissen inzwischen, dass wir es können“(L+B)


So etwas darf man hier nicht ungestraft und folgenlos behaupten, ohne instantielle Beleumundung, akademische Laufbahn, einschlägige Lizenzierung, bzw. im Falle der Frau Dr.Bracht: wenn man denn so unverfroren ist zu glauben, es anders handhaben zu können (obwohl man das eigentlich gar nicht tut, nur mit anderen Mitteln).

Unterschätzt werden sollte niemals die Borniertheit deutscher Institutionen, vor allem derer, die sich akademisch und/oder intellektuell geben.


Dass dieser Anspruch (des Wissens darum, ES zu können) in den langfristig und endgültig besetzten und vorherrschend beanspruchten Segmenten (Kuration) der Ärzte und der Heilpraktiker erhoben wird, ruft ebenjene Instanzen auf den Plan, um medienwirksam aufzuzeigen, wo der Frosch die Locken hat, oder der Mediziner seinen weißen Kittel.


Das alles ist sehr unterhaltsam:

Erwachsenen Akademikern dabei zuzuschauen, wie sie sich gegenseitig in die Mimetik grätschen und Verkleidungen runterreißen, und wie wechselseitig, in großem Geplärre und grellem Gegröhle, die Inszenierungen gebrochen werden. 

Wehe, wenn die Masken fallen.


Da werden Berufsethik und der Hippokratische Eid entweder tief in die Schublade des Verdrängens geschoben, und/oder lautstark die (fehlende)„Wissenschaftlichkeit“ herangezogen, auf nicht durchgeführte „Doppelblind-Studien“ verwiesen oder mit inadäquaten „Vergleichsgruppen“ argumentiert - und das alles auf einem Niveauchen und in einer Lautstärke, die mir zumindest Bange werden lässt, von solchen Akteuren jemals einmal abhängig zu sein, meine „GESUNDHEIT“ betreffend. 

Wer auf diese Art den eigenen Machtanspruch zu zementieren und dem „Kontrahenten“ zu schaden trachtet, der kann womöglich hinsichtlich von Gesinnung und geistiger Reife, von Zuwendung, Moral und Ethik nicht ausreichend für seine Profession befähigt sein. 

Klingt absolut. Ist es auch, in diesem Fall. 

Wer in der gewählten Berufung anderen Menschen helfen will und soll, wer darauf einen gutgemeinten Eid geschworen hat, der hat sich in sein Feld einzuleben und darin aufzugehen, der hat das zu verinnerlichen und irgendwie auch (vor-)zu leben, denke ich.

(Gruß an F an dieser Stelle - schön, dass es mit dir auch Solche deiner Zunft gibt…)


Dann erinnere ich mich an 1995, Abitur in Hessen, und daran, welche Mitschüler den Weg des Medizinstudiums damals eigentlich beabsichtigten, zu gehen. 

Und wieder muss ich bitterlich lachen, denn, wenn meine Erinnerung noch halbwegs intakt ist, waren das in der Mehrzahl die größten Egozentriker und Misanthropen, zwischenmenschliche Bedrohungslagen, sozusagen, jedoch mit einem hinreichend adäquaten Notendurchschnitt. 

Und der war und ist es ja bis heute, der einzig und alleine dazu befähigt, dieses Studium aufzugreifen und anderen Menschen somit hauptverantwortlich zu helfen, sich einzufühlen, ihr Leid zu verstehen und bestenfalls zu lindern.

Das muss man von einem 1,0 Abiturienten erwarten können. Da greift unser Bildungssystem sozusagen proleptisch vor, die charakterliche Eignung ist im Lehrplan mitgeliefert, wir entlassen wahre Emphasemonster in den Arbeitsmarkt.


Alles stellt sich in die übergeordneten Strukturen zurück, manches mehr, manches weniger.

Diese „Gesundheit“, in jenem und in solchem Sinne - reduziert, beschnitten, missverstanden und verkürzt ausgelegt, noch nicht grundphänomenal und in seinen Grundzügen erfasst, nicht anhand der Letztgebungen und der inneren Notwendigkeiten erhellt - wird bis auf Weiteres auch hinreichend die ihr ent-sprechenden und gemäßen Akteure auf den Plan rufen, zwangsläufig und standes-gemäß.


Selbst und gerade dann, wenn sie eigentlich keine Expertise für Gesundheit aufweisen.




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Autor Florian Giesenhagen

Dipl.-Hygiagoge im Hygiagogik-Zentrum Nordwest

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