ersteWorteblog

hoffnung für die bösen über 30

Blog Single

JUNI 18/3 hoffnung für die bösen über 30

Mir fiel neulich irgendwo beim googeln ein Beitrag auf, evtl aus dem Onlineportal der "Zeit" ? Wie auch immer, der Aufreisser ging in etwa so :

"Die Persönlichkeit des Menschen scheint doch mit 30 noch nicht fertig und auch dann noch  veränderbar zu sein !"

Wahnsinn!, hab ich gedacht, ein Meilenstein, ein echter und regulärer Meilenstein! Das ist mal ein Ding. Da müssen wir Uhus jenseits der 30 uns also tatsächlich noch unseren Lebenswelten stellen und uns zu allem Überfluss wahrscheinlich auch noch damit und fürhin mit uns selbst auseinandersetzen, weil wir doch noch nicht zu Ende gedacht, gepanscht und entwickelt sind, weil wir doch noch nicht alles wissen und gelernt haben, was ein Mensch lernen und wissen und überhaupt erreichen kann, in Sachen Menschsein.

Mich nervt gerade diese ironische Eingeschnapptheit des Tons, den mein Sprechen erzeugt, und gestern hätte ich noch, weil ja schon 42, damit leben und das aushalten müssen, aber jetzt und seit dieser Meldung: Fort mit der Ironie, ich kann mich tatsächlich noch verändern. Ich sollte das jetzt nur auch tun, dazu brauche ich aber eine kurze Pause.

Bin wieder anwesend, habe der Ironie in meinem Kopf dreimal eins mit der Ernsthaftigkeitskeule übergedroschen, immer mit dem ollen Knüppel druff, da hat es zweimal gekrachknackert, im cerebralen Gebälk, und fort war sie, die Ironie.

Diesen Satz habe ich davor geschrieben.

2014 muss das gewesen sein, als das HZNW in einer Studie zur Multimodalität bereits Antonowskis These, der Kohärenzsinn sei jenseits der 30 nicht mehr veränderbar oder nicht mehr ausbaufähig, im Prinzip widerlegt, zumindest aber anhand der Tendenzen und Ergebnisse als in dieser Form nicht aufrechtzuhalten erwiesen hat.

Es ist in fortgeschrittenem Alter nur umso wichtiger, sich nicht nur des Denkens zu bedienen, sondern eben auch des Körpers, bzw. des Phanerons: denken, fühlen UND empfinden. Nur dieser, der umgesetzt multimodale Ansatz des Herangehens, vermochte den Sense of Cohearance noch zu verändern, im konkreten Falle natürlich zu verbessern, und dies hinsichtlich jeder der Komponenten: Verstehbarkeit, Handhabbarkeit und Bedeutsamkeit.

Es müsste geradezu mit dem Freudschen oder meinetwegen dem Cartesischen Teufel zugehen, wenn sich diese Veränderungen nicht auch innerhalb und anhand der Persönlichkeit ab-spielten, da diese sich ja andernfalls ab-spalten müsste, von all dem, worauf der Kohärenz-SINN sich aufbaut, wovon dieser abhängt und worauf dieser Einfluss ausübt.

Das würde dann in etwa bedeuten : Kohärent bin ich schon, nur meine Persönlichkeit nicht, die ist leider seit meinem Dreißigsten fertig, in Zement gegossen und steht als ausgestopftes Hirschkopfgeweih auf meinem Kamin. Grüß Gott.

Man muss sich nur mal überlegen, um dann doch mal wieder, aus Gründen des Selbstschutzes und als eine Art offensiver Verteidigungsstrategie, auf Ironie und Sarkasmus zurückzugreifen, was uns alles hätte erspart bleiben können, wenn diese unglaubliche Erkenntnis der Veränderbarkeit der Persönlichkeit über 30, dieser Quantensprung der Wissenschaft, schon sehr viel früher sich ereignet hätte: Angenommen, der von mir bereits mehrfach herbeizitierte Josef Stalin hätte davon zu Lebzeiten erfahren…nein, das führt jetzt in dieser Form irgendwo hin, wo ich nicht hin will.

Aber auch unter denen, die mehr oder weniger noch am Leben sind und ihr Dasein zum Schaden aller Anwesenden da so vor sich hin fristen, man denke nur an Peter Hahne, Carsten Maschmeyer, oder zuvorderst an den einzigen Menschen, der zu einhundert Prozent aus Teig gemacht ist und besteht: Dr. von Hirschhausen.

Ich stelle mir das so vor, seine Exzellenz -  schon Jahre auf einen Forschungsdurchbruch in diesem Segment wartend - liest jenen Artikel bei der Einnahme der morgendlichen Folsäurekompretten und tritt aus unbedingtem Reflex in eine Selbstaudienz: "Eckhardt, ein Wunder ist geschehen - und Wunder wirken Wunder, du weisst das ja selbst am Besten - du scheinst dich und deine Persönlichkeit doch noch ändern oder zu einer Solchen angedeihen lassen zu können, stampf deine Sendungen und deine Zeitschriften und zuallererst deine lustigen Ratgeber ein, es gibt Hoffnung, du musst dich nicht mehr rächen an der Welt, für dein So-Sein, man hat es herausgefunden, es führt ein Weg heraus aus deiner vollumfänglichen Teigigkeit, deine Allwissenheit ist heilbar !"

Dann streift er sich selbstvergessen die Schnabelschuhe von den Hefefüßen, legt den Hermelin und die Pschyrembel beiseite und weint, weint und schüttelt sich, dass der ganze Klumpen Körper in eine ekstatische Wallung gerät, sein Gesicht wird von einer derart heftigen Katharsis ergriffen, dass sich tatsächlich eine Mimik hineinlesen lässt, in das hippokratisch eingefrorene Antlitz ihres Arztes des Vertrauens...

So, das hat jetzt aber auch irgendwie gutgetan.

Und was könnte uns denn ab jetzt noch alles erspart bleiben, wenn man diese Information auf irgendeine Art denen zugänglich machen könnte, die ja davon ausgehen, an ihrer Debilität sei tragischerweise nichts mehr zu verändern?

Es ist das alte Problem, der altbewährte Circulus Vitiosum: Wie erklärt man denen, die zu wenig Blut im Kopf haben, dass sie zu wenig Blut im Kopf haben, um zu merken, dass sie zu wenig Blut im Kopf haben?

Oder, nochmal anders und selbstbezogener formuliert: Wie mache ich jemandem, der meiner Sprache nicht mächtig ist, klar, dass ich seiner Sprache nicht mächtig bin, weil ich nur meiner Sprache mächtig bin ?

Sein als Solches, das Dasein eben, ist halt immer auch Zumutung.

Das steht ja unumstößlich fest.

Diesen Blog teilen:
Autor Florian Giesenhagen

Dipl.-Hygiagoge im Hygiagogik-Zentrum Nordwest

0 Kommentare

Schreibe einen Kommentar

jQuery(".bt-switch").bootstrapSwitch();